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Kundenpflege der Banken... wird zum Teil sträflich vernachlässigt

23.12.2021

Die Lage der Banken ist vertrackt. Die Zinsen sind seit Jahren niedrig, das Zinsgeschäft leidet und die Margen schrumpfen.

Sitzungszimmer mit Weihnachtsbaum

Zumal gleichzeitig der Wettbewerb, der Kampf um Kunden durch neue Fintechs und Online-Banken härter wird. Dabei dreht sich der Kampf um Kunden nicht nur um potenzielle neue sondern umfasst auch die bestehende Klientel, die es zu pflegen gilt, um sie zu behalten. Hier liegt bei vielen Banken noch einiges im Argen. Was ist zu tun? Die (Personal)kosten senken, Filialen und Schalter schliessen, das Bankgeschäft noch stärker automatisieren und damit weiter anonymisieren, die ohnehin schon stark strapazierten Wartezeiten an den Hotlines noch verlängern? Das ist vielleicht der einfachste aber nicht unbedingt der sinnvollste Weg aus dem Dilemma.

Laut «Schweizer-Banken info» gibt es rund 260 Banken in der Schweiz: Die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse, 24 Kantonalbanken, 62 Regionalbanken und Sparkassen, sieben Privatbanken, die Raiffeisenbank und zahlreiche weitere in- und ausländische Institute betreiben zusammen etwa 3'100 Filialen und Geschäftsstellen. Lassen wir einmal die grossen Schweizer Vermögensverwalter UBS und CS sowie die Privatbanken mit ihrer vermögenden Klientel und auch den volatilen Bereich des Investmentbanking aussen vor. Betrachten wir die «normalen» Banken und ihre «Durchschnittskundschaft».

Regulierungs- statt Konkurrenzdruck

Kundenpflege und -bindung ist angesagt. Hier hapert es bei vielen Instituten. Statt den persönlichen Kontakt zum Kunden zu verbessern – je nach Altersklasse am Telefon, per Email und vor allem persönlich am Schalter – fokussieren sich die Institute zuallererst auf die Vorgaben und Regulierungen des Gesetzgebers, die dieser in industriellen Mengen und am laufenden Band generiert.

Dieses Verhalten hat eine gewisse Tradition und gründet sich auf dem Selbstverständnis der Geldhäuser, das gerade in Deutschland immer noch recht ausgeprägt ist, kritisiert das deutsche Anlegermagazin Fonds Professionell Online. Für die meisten deutschen Geldhäuser sei es «selbstverständlich», dass ihre Kunden ihnen treu bleiben – ohne, dass sie sich besonders bemühen müssten, schreibt das Anlegermagazin und beruft sich auf die Studie «Digital Outlook 2025: Financial Services» des Beratungs- und Marktforschungsunternehmen Lünendonk und Hossenfelder, die in Zusammenarbeit mit dem Dienstleistungsunternehmen Senacor Technologies im Oktober 2020 durchgeführt wurde.

Auf die «Trägheit» der Kunden zu setzen ist riskant

Demnach geben sieben von zehn befragten deutschen Banken, dass sie sich kaum anstrengen müssen, um Bestandskunden bei der Stange zu halten. 68 Prozent bleiben selbst gegenüber digitalen Wettbewerbern gelassen. 65 Prozent geben sich überzeugt, auch künftig den Zugang zu ihren Kunden zu behalten.

Rechnen die Banken etwa mit der Trägheit der Kunden, die zu bequem für einen Wechsel zur Konkurrenz sind? Diese Kalkulation könnte ins Auge gehen. «Sich auf die Kunden zu verlassen, die schon immer da waren, rächt sich eines Tages», zitiert das Anlegermagazin Petr Roda, Partner bei Senacor. Die heute 16- oder 17-Jährigen seien es gewohnt, ihre Dienste mobil und vor allem digital zu nutzen und auch ohne viel Aufhebens wieder zu kündigen. So rasch wie sie den Provider für ihre Mobiltelefone wechselt, wenn sie anderswo bessere Konditionen bekommen, dürfte sich die junge Generation auch nicht scheuen, Kontoverbindungen ihrer Eltern aufzulösen und zu transferieren, wenn sie eines Tages deren Erbe antreten.

Diese Erkenntnis scheint bei vielen Banken noch nicht bis in die Chefetage durchgedrungen zu sein. Laut Studie stehen Online-Plattformen, die einen Grossteil des Erfolges der Digitalbanken ausmachen, auf der Prioritätenliste der (traditionellen) Geldhäuser in Deutschland ziemlich weit unten. Nur 27 Prozent der befragten Häuser sind bemüht digital den Anschluss nicht zu verlieren.

Online-Plattformen zu vernachlässigen «können sich nur Banken mit … besonders wohlhabende Kunden» leisten, «die sich individuell beraten lassen wollen und ihr Geld wohl kaum selbst am Mobiltelefon verwalten,» argumentiert Petr Roda. Die befragten Banken setzen allerdings andere Prioritäten: Sie haben weitaus mehr Angst vor dem Gesetzgeber als vor der Konkurrenz. Satte 93 Prozent der Befragten gaben an, dass sie damit zu kämpfen haben, was an Reglementierung auf sie zu kommt und wie stark die rechtlichen Vorgaben zunehmen. Mit anderen Worten: die Disclaimer und die Liste der zu akzeptierenden Cookies dürften länger werden. Kundenfreundlich geht anders.

Verhaltensweisen und Ansprüche verstehen

Schweizer Banken befinden sich zwar allgemein in einer (noch) etwas komfortableren Lage als die deutsche Konkurrenz. Aber auch hier ist der Wettbewerb durch neue Akteure wie Fintechs und Neobanken rauher geworden. An dem Mehraufwand, Kunden, differenziert nach Gruppen, gezielt anzusprechen, führt kein Weg vorbei. Die wohl wichtigste Zielgruppe ist die Generation der zwischen 1985 und 2000 Geborenen. Diese sogenannten Millennials werden demnächst einen Grossteil des globalen Vermögens unter Kontrolle haben. Wollen die Banken diese relevante Zielgruppe nicht verlieren, müssen sie deren Verhaltensweisen und Ansprüche verstehen und kennen.

«Schweizer Millennials sind grundsätzlich mit ihrer bestehenden Bank zufrieden». Zu dieser Erkenntnis kommt Ezgi Kizilpinar in ihrer Bachelorarbeit an der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Winterthur, über die Bedürfnisse und Anforderungen der jungen Generation an ihre Banken. Die junge Generation, die bereits zwei Finanzkrisen und die flächendeckende Verbreitung des Internets miterlebt habe, wünsche Sicherheit, Vertrauen und Transparenz in ihren Bankbeziehungen. Anders als ihre Vorgänger betrachteten die Millennials Banken als Supportstelle, die sie jederzeit und bequem erreichen möchten und deren digitales Angebot stets auf dem neusten Stand sein sollte.

Die Ansprüche der Millenials

Aber auch die Internetgeneration bevorzuge bei langfristigeren Themen den persönlichen Kontakt, stellt Kizilpinar fest. Individualität werde ebenfalls gross geschrieben. Auch Millenials «möchten spüren und sehen, dass eine Bank auf ihre spezifischen Bedürfnisse eingeht». Da die Millennials durch ihre technische Affinität informierter und anspruchsvoller seien als ihre Vorgängergeneration, sei den Banken empfohlen mit einer auf diese Bedürfnisse zugeschnittenen «Produkt-, Marketing- und Kommunikationsstrategie» das langjährige Vertrauen zu nutzen und «herausragende Kundenerlebnisse» zu generieren. Einerseits sei es notwendig, über alle Kanäle schnell, bequem und einfach erreichbar zu sein. Andererseits müssten Produkte entwickelt werden, die sich an den individuellen Bedürfnissen orientieren. Dass zudem die digitalen Angebote kontinuierlich weiterentwickelt werden müssten stehe ausser Frage, schreibt Kizilpinar.

«Einstein soll gesagt haben, dass man neue Probleme nicht mit alten Vorgehensweisen lösen kann. Doch genau das versuchen gerade zahlreiche Sparkassen und Banken», kritisiert Managementberater Dr. Jürgen Weimann, München, der schwerpunktmässig in der Finanzbranche unterwegs ist. Zur Verbesserung ihrer Vertriebsergebnisse böten die Banken meist nur Altbackenes auf: Training, Coaching und Erhöhung der Zielvorgaben. Nur wenige beschäftigten sich mit wahrhaftiger Kundenpflege.

Alle Institute stünden vor der Herausforderung, ihre Vertriebsaktivitäten massiv zu erhöhen. Gleichzeitig merkten viele, dass sich die Erwartungen an die Vertriebsstrategie der Zukunft nur in einigen Teilen erfüllt hätten. Basierend auf Kundenanalysen aus verschiedenen Beratungsprojekten gibt Weimann an, dass über 70% der Kunden innerhalb von 12 Monaten keinen persönlichen Kontakt zu ihrer Bank/Sparkasse hatten. Sein Fazit: «Somit ist für den Kunden auch kein wesentliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber Online-Banken wahrzunehmen».

Mit der «Tür ins Haus fallen» bringt wenig

Die gängigen Kontaktaufnahmen der Banken zu ihren Kunden – per schriftlicher Aussendung, als Online-Werbung für die eigenen Produkte oder als Direktkontakt per Telefon – um gleich einen Beratungstermin auszumachen, hält Weimann für nicht mehr zeitgemäss und wenig erfolgreich. Denn mit diesem Vorgehen falle die Bank «buchstäblich mit der Tür ins Haus» des Kunden. Dieser erkenne: Meine Bank meldet sich nur, weil sie mit etwas verkaufen will. Grundsätzlich sei es legitim und «ureigene Aufgabe» einer Bank, dass sie für finanzielle Belange einzigartige Lösungen anzubieten versuche. «Doch macht es einen Unterschied, ob Kundinnen und Kunden das Gefühl haben, als Mensch wertvoll zu sein und zu spüren, dass die menschliche Begegnung ebenso wichtig ist, oder ob dieses Gefühl gänzlich fehlt», argumentiert Weimann.

Vertriebsintensivierung habe daher weniger mit Verkaufen, sondern vor allem mit der menschlichen Begegnung zu tun. Wie wäre es, wenn Sie sich in einem ersten Schritt zunächst den Kunden widmen, die schon lange nichts mehr von Ihnen gehört haben? Nicht mit dem Ziel, sofort ein Beratungsgespräch zu initiieren, sondern aus menschlichem Interesse. Wie kommt Ihre Kundin durch die aktuelle Corona-Situation? Was sind die Herausforderungen? Was hat sich vielleicht an ihren Wünschen verändert? Welche Erwartungen resultieren daraus an Sie als Finanzpartner? Ein reines plumpes Anrufen führt mit hoher Wahrscheinlichkeit weder zu einem Abschluss noch zu Vorfreude, wenn Ihre Nummer wieder im Display der Kundinnen und Kunden erscheint. Zeigen Sie ein wahrhaftiges Interesse, das sich in spannenden Fragen und im anschliessenden Zuhören ausdrückt.

Beratung persönlich oder virtuell aber bloss nicht langweilig

«Eine Beratung, die nicht mindestens mehr Erkenntnisgewinn bringt, als 10 Minuten zum Thema zu googeln, braucht kein Mensch», doziert Weimann. Erfolgreiche Beratungsgespräche seien vor allem durch Mehrwert und Emotionalität gekennzeichnet. Im Online-Zeitalter wird der (physische) Besuch einer Sparkassen- oder Bankfiliale ein immer selteneres Ereignis. Die Digitalisierung schreitet voran. Immer mehr Institute bieten deshalb auch virtuelle Beratung an. Laut Weimann stelle sich der Kunde/die Kundin jedoch bei beiden Alternativen die Frage nach dem Mehrwert/Nutzen für den Zeitaufwand, den er in die Beratung investiert habe. Zahlreiche Studien zeigten, dass Menschen Entscheidungen nicht nur kühl kalkuliert und strategisch überlegt träfen, sondern sich vor allem emotional leiten liessen. «Somit spielen neben dem Mehrwert der einzelnen Beratung ebenso die Emotionen des Kunden eine grosse Rolle», schreibt Weimann. Der Mehrwert der Beratung und der dabei empfundenen Emotionen hätten entscheidenden Einfluss auf den Vertriebserfolg. Hier komme die Individualität ins Spiel. Jeder Mensch habe andere Erwartungen an eine Beratung und ebenso ein anderes emotionales Empfinden.

Weimann bemängelt, dass die Institute ihr Vertriebs- und Beratungspersonal mit Schulungsangeboten eindecken, bei denen die fachlichen Aspekte, Produktmerkmale und Vorgehensweisen im Vordergrund stehen. «Seminare, die sich spezifisch mit der Verkäuferpersönlichkeit, dem Selbstmanagement und den Möglichkeiten emotionalen Verkaufens beschäftigen, finden sich meist nicht oder in einem viel zu geringen Umfang». Gerade hier gelte es künftig anzusetzen, denn Kunden, so Weimann, «wollen keine Fachidioten, sondern Menschenkenner» als Ansprechpartner.
 

In Zusammenarbeit mit Aquila
Bilder, Heidi Erni Labhart

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